Neuer „FrauenOrt“ in Ratingen erinnert an Dr. Hilde Bruch

Feierliche Einweihung im Museum Ratingen

Ein „FrauenOrt“ in Erinnerung an Dr. Hilde Bruch wurde am 4. September feierlich eingeweiht. Gäste aus Politik, Kultur und Zivilgesellschaft kamen im Museum Ratingen zusammen und würdigten die jüdische Kinderärztin und Psychoanalytikerin, die 1932 in Ratingen praktizierte und später in den USA zur international anerkannten Expertin für Essstörungen wurde. Die Erinnerungsplakette für Hilde Bruch wird an der Mauer des Minoritenklosters angebracht, in Sichtweite des Ortes, an dem einst ihre Praxis am Marktplatz stand. „FrauenOrte NRW“ ist ein Projekt des Frauenrates NRW, in dessen Rahmen herausragende Lebenswege von Frauen aus unserem Bundesland aus unterschiedlichen Epochen gewürdigt werden.

An bislang 52 Orten im Land sind solche Erinnerungszeichen entstanden. „Frauen haben Geschichte geschrieben – in Kunst, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft oder Gesellschaft“, sagte Prof. Dr. Petia Genkova vom Frauenrat NRW. „Mit den FrauenOrten erzählen wir diese Geschichten endlich auch sichtbar vor Ort.“

Bei der Feierstunde im Museum beschrieb der Ratinger Stadtarchivar Dr. Sebastian Barteleit den Lebensweg von Dr. Hilde Bruch. Sie wurde am 11. März 1904 in Dülken am Niederrhein geboren als drittes von sieben Kindern einer jüdischen Familie. Ihre Eltern besaßen ein Viehhandelsgeschäft. Nach dem Abitur in Mönchengladbach studierte sie Medizin und promovierte 1928. Zunächst arbeitete sie an einer Frauenklinik in Düsseldorf, wo sie jedoch stark angefeindet wurde.

Nach Tätigkeiten in Kliniken in Kiel und Leipzig eröffnete sie im Alter von 28 Jahren eine eigene Praxis als Kinderärztin in Ratingen. Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht ergriffen, machten sie ihr das Arbeiten in Ratingen unmöglich. Sie wagte daher die Emigration nach England.

Dort sah sie recht bald auch keine berufliche Zukunft, weshalb sie 1934 in die USA weiterzog. In New York eröffnete sie eine psychoanalytische Privatpraxis und lehrte an der Columbia-Universität. Sie spezialisierte sich auf Essstörungen und wurde in diesem Gebiet eine weithin anerkannte Expertin. 1964 erhielt sie eine Professur in Psychiatrie am Baylor College of Medicine in Houston, Texas. Seit ihrem Todesjahr 1984 verleiht die Baylor-Universität in Waco jährlich den „Hilde Bruch Award for Excellence in Psychiatry“.

Kulturdezernent Patrick Anders thematisierte in seinem Grußwort offen, dass Hilde Bruchs Monate in Ratingen aus ihrer Biografie sicherlich nicht positiv herausstrahlen. „Wie gern würde ich hier und heute die Leistung dieser wissenschaftlichen Pionierin ein wenig auch für Ratingen reklamieren! Das aber wäre geschichtsvergessen. Auch Ratingen war 1933 für Menschen jüdischen Glaubens kein Ort der Inspiration, sondern feindselig und gefährlich.“ Aber gerade deshalb sei diese Ehrung wichtig und notwendig, denn sie erinnere nicht nur an eine beeindruckende Frau, sondern mahne auch daran, „dass wir niemals aufhören dürfen, für essenzielle Werte wie Weltoffenheit und Toleranz einzutreten“.

Die städtische Gleichstellungsbeauftragte Nadine Mauch, die den FrauenOrt für Dr. Hilde Bruch vorgeschlagen hatte, hob hervor: „Hilde Bruchs Mut und ihre wissenschaftliche Weitsicht sind uns bis heute ein Vorbild.“

Dies ist bereits der zweite FrauenOrt in Ratingen. Im Juli dieses Jahres wurde im LVR-Industriemuseum Cromford Sophie Brügelmann gewürdigt, die im 18. Jahrhundert nach dem Tod ihres Mannes erfolgreich die erste deutsche Textilfabrik leitete. Ratingen reiht sich damit in die Städte ein, die mehr als eine herausragende Frau in den Fokus rücken.