Kulturraum Friedhof

Immaterielles Kulturerbe

Friedhöfe sind Spiegel der Zeit. Sie zeigen, wie Menschen in ihrem Kulturraum mit Verstorbenen umgegangen sind und bis heute umgehen. Immer schon haben Grabstätten, Grabschmuck und Trauerrituale Glaubens- und Weltbilder ausgedrückt – und dadurch den gesellschaftlichen Wandel sichtbar gemacht. Waren früher aufwändig bepflanzte Familiengräber die Regel, zeigen heute pflegeleichte Urnengräber, anonyme Grabstätten oder Grabfelder für islamische Bestattungen, wie Patchworkfamilien, religiöse Skepsis, grenzenlose Mobilität und Interkulturalität unsere Trauerkultur prägen.

In diesem Zusammenhang sind gerade alte oder künstlerisch gestaltete Grabstätten interessant, denn sie erzählen sowohl vom ästhetischen Geist ihrer Zeit als auch von sozialen Unterschieden. Ehrendenkmale sowie Gräberfelder für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft machen Friedhöfe zudem zu kollektiven Erinnerungsorten. Die UNESCO erklärte die Friedhofskultur aus all diesen Gründen zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit. Am Eingang des Waldfriedhofs erinnert ein Hinweisschild daran, dass auch die Ratinger Friedhöfe seit 2020 auf der UNESCO-Liste stehen.

Eine kurze Geschichte der Bestattungskultur

Seit Menschen sesshaft zusammenleben, haben sie feste Orte bestimmt, um ihre Verstorbenen zu bestatten. Über viele Kulturen und Religionen hinweg waren und sind Bestattungen an Rituale geknüpft und verbunden mit Jenseitsvorstellungen von ewiger Ruhe, Seelenwanderung, Wiedergeburt oder paradiesischen Zuständen. Für Christen war die Erdbestattung bis 1963 alternativlos. Für Muslime und orthodoxe Juden ist sie das bis heute. Im Hinduismus und Buddhismus wiederum ist die Feuerbestattung selbstverständliche Praxis.

 

In geweihter Erde

Im heutigen Deutschland wurden Verstorbene seit der Christianisierung in der Erde bestattet. Feuerbestattungen sowie außerörtliche Gräberfelder, wie sie bei unseren keltisch-germanischen Vorfahren üblich waren, galten als heidnisch verpönt - ein Edikt Karls des Großen verbot die Einäscherung sogar 785 unter Androhung der Todesstrafe. Außerhalb von Siedlungen existierten deshalb lediglich sogenannte Elendsfriedhöfe für Seuchenopfer oder Angehörige „unehrlicher Stände“ wie etwa Ungetaufte, Kriminelle, Bettler, Gaukler oder auch Selbstmörder.

Verstorbene Gläubige indes, so die christliche Auffassung, gehörten in die Nähe von Heiligenreliquien. Kirchherren, Würdenträger und reiche Familien sicherten sich deshalb Gruften innerhalb der Gotteshäuser. Je näher sie bei den Reliquien lagen, umso sicherer wähnten sie sich der Fürsprache der Heiligen vor dem Jüngsten Gericht. Auch außerhalb der Gotteshäuser waren die Grabstätten sozial-hierarchisch geordnet. Zum großen Teil bestand der umfriedete Kirchhof allerdings aus Gemeinschaftsgräbern, in denen man Verstorbene in Säcke oder Tücher gehüllt zu mehreren übereinander bestattete.

 

Vom Kirchhof zum Friedhof

Als die Bevölkerung wuchs und sowohl Kriege als auch Seuchen immer wieder erhebliche Opfer forderten, brachte dies die Kirchhöfe an ihre Grenzen. Immer schon hatte das ständige Öffnen und Schließen der Gemeinschaftsgräber innerorts zu Geruchsbelästigungen und Hygieneproblemen geführt. Nun aber waren die Kapazitäten der Kirchhöfe ausgeschöpft. Ganz im Sinne Martin Luthers, dessen Reformationsbewegung (ab 1517) die Reliquienverehrung strikt ablehnte, entstanden nun zunächst in evangelisch geprägten Fürstentümern außerörtliche Friedhöfe mit Aussegnungskapellen.

Mit der geistigen Bewegung der Aufklärung begannen die Menschen ab dem 17. Jahrhundert, ihre zugedachte Rolle als geborene Untertanen kritisch zu hinterfragen. Anstelle von „glauben und hinnehmen“ begann man nun, die Welt im Sinne von Wissenschaft und Vernunft zu erklären. Hinzu kam die Industrialisierung, in deren Zug die Bevölkerung in den Städten überproportional schnell wuchs und die hygienischen Probleme verstärkte. Paragraph 184 des Preußischen Allgemeinen Landrechts regelte schließlich: „In den Kirchen, und in bewohnten Gegenden der Städte, sollen keine Leichen beerdigt werden.“ Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden daraufhin flächendeckend Stadtrandfriedhöfe, die zunehmend auch kirchenunabhängig waren.

 

Feuerbestattung und Friedhofszwang

Angesichts der hygienischen Probleme und der Säkularisierung der christlich geprägten Gesellschaften Westeuropas rückte im 19. Jahrhundert auch die Feuerbestattung in den Fokus – und sorgte für Proteste und hitzige Auseinandersetzungen, als in Gotha 1878 das erste deutsche Krematorium entstand. 1934 goss man das Recht zur Feuerbestattung schließlich in ein Gesetz. Seitdem gilt sowohl für die Erdbestattung als auch für die Aschebestattung in Deutschland der sogenannte Friedhofszwang. Ausnahmen bilden lediglich die Aschebestattung auf See sowie die Urnenbestattung unter Bäumen. Allerdings muss das Bestattungsinstitut die Urne auch in diesen Ausnahmefällen an den jeweiligen Ort überführen. Die katholische Kirche gab ihr grundsätzliches Verbot zur Feuerbestattung 1963 auf. Nach wie vor wirkt sie bei Feuerbestattungen „jedoch nur mit, sofern diese nicht aus Gründen erfolgen, die der christlichen Glaubenslehre widersprechen.“

 

Friedhöfe verändern ihr Gesicht

Die Kultur der bildhauerisch gestalteten Grabmale, wie wir sie von historischen Grabfeldern kennen, hatte ihre Blütezeit im 19. Jahrhundert. Größe und Opulenz der Grabstätten brachten damals nicht nur den ästhetischen Zeitgeist zum Ausdruck, sondern erzählten auch vom gesellschaftlichen Rang der Verstorbenen. Heute zeigen die Grabfelder auf unseren Friedhöfen ein eher schlichteres Gesicht. Denn: Wie überall in Deutschland, kann man auch in Ratingen beobachten, wie etwa die räumliche Mobilität, globalkulturelle Einflüsse oder auch soziale Aspekte unserer Friedhöfe verändert haben. Zwischen den klassischen Wahlgräbern für die Sargbestattung sind sichtbare Lücken entstanden, der Trend zur Urnenbestattung ist ungebrochen – die immer beliebteren Baumbestattungen setzen diese sogar voraus. Für viele Menschen ist eine Urnenbestattung nicht nur eine pflegeleichte Möglichkeit des Gedenkens, sondern sogar ihre einzig finanzierbare Bestattungsoption. Eher schlicht gehalten sind auch die in jüngerer Zeit eingerichteten islamischen Grabfelder, da der Islam auf einen ausgesprochenen Totenkult verzichtet. Beinahe spielerisch wirken dagegen die Gedenkstätten für zu früh oder tot geborene Kinder. Hier drehen sich regenbogenfarbene Windrädchen und auch die Gedenkstelen selbst sind oft bunt gestaltet.

Kontakt

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Di.           14 - 16 Uhr
Do.          14 - 18 Uhr

 

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