Dieser Naturstein, ein Findling, wurde am 26. September 1934 durch die Initiative des Tiefenbroicher Lehrers Josef Mocken aufgestellt. Regelmäßig suchte er mit seinen Schülern den Stein auf, um Blumen niederzulegen und deutsche Volkslieder zu singen. So sollte der Schriftsteller Hermann Löns, der bereits 1914, kurz nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, gefallen war, geehrt werden. Als „Heidedichter“ wurde Löns von den Nationalsozialisten sehr geschätzt.
Anfang 2017 hat René Wendeler, Mitglied des Jugendrates, an einer Sitzung des Bezirksausschusses Tiefenbroich teilgenommen. In dieser Sitzung wurde eine Anfrage zur Pflege des Hermann-Löns-Denkmals gestellt. Der Tiefenbroicher Wendeler war überrascht, dass es in dem Stadtteil ein solches Denkmal gibt. Er hat daraufhin im Stadtarchiv recherchiert und verschiedene Dokumente eingesehen. In einer Arbeitsgruppe des Jugendrates wurde die Thematik anschließend beraten. Daraufhin wurde in der Sitzung des Jugendrates am 22.02.2017 ein Antrag gestellt, zu dem der Rat der Stadt Ratingen in seiner Sitzung am 23.11.2017 einstimmig den Beschluss gefasst hat, dass der Stein erhalten bleiben und in der Nähe auf einer Plexiglastafel ein erläuternder Text sowie ein QR-Code mit weiteren Informationen aufgestellt werden soll.
Lehrer Mocken trat 1933 in die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ein. Als fanatischer Nazi denunzierte er später den Tiefenbroicher Pfarrrektor Clemens Prinz, der breite Unterstützung in der Tiefenbroicher Bevölkerung genoss, als Regimegegner bei der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Josef Mocken wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wegen seiner NS-Vergangenheit nicht wieder in den Schuldienst eingestellt.
Hermann Löns wurde 1866 in Kulm/Westpreußen geboren und starb 1914 bei Reims/Frankreich. Bereits zu Lebzeiten veröffentlichte er ein umfangreiches lyrisches Werk, in welchem Natur- und Liebesgedichte breiten Raum einnahmen. Sie zeugen von seiner Angst vor den Änderungen, die die moderne Industriegesellschaft mit sich brachte. Löns stand in der Tradition Anette von Droste-Hülshoffs. Er schätzte wie sie die norddeutschen Landschaften. In seinen Werken kommt eine starke Naturverbundenheit zum Ausdruck, die als Kritik an der Großstadt mit ihren vielen Bewohnern, Lärm und Verkehr sowie den Fabriken zu verstehen ist.
Sein Roman „Der Wehrwolf“ von 1909 spielte in der Lüneburger Heide des Dreißigjährigen Krieges. Heidebauern schließen sich hier unter dem Namen „Wehrwölfe“ zusammen, um raubende und mordende Soldaten abzuwehren. Löns ließ sich deshalb gern als Dichter der Lüneburger Heide feiern, ein Motiv, das der Tiefenbroicher Lehrer Josef Mocken aufgriff. So heißt es in einem von Josef Mocken verfassten kleinen Erzählband zur Geschichte des Löns-Steines: „Es war einmal ein Lehrer, der sagte nur, wenn es nicht gehen wollte in der Schule: Auf der Lü! Und dann schmetterten die Burschen und die Mädel das Lied von der Lüneburger Heide, und dann ging es wieder besser.“ (S. 49)
Das Ansehen des Dichters und Schriftstellers Hermann Löns, der zur Zeit der Machtübernahme Adolf Hitlers bereits 29 Jahre tot war, schwand, als das unzutreffende Gerücht in Umlauf kam, er habe eine jüdische Großmutter gehabt. Dennoch war sein Roman „Der Wehrwolf“ Namensgeber für eine nationalsozialistische Terrormiliz, die kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch weiter gegen die Alliierten kämpfte, allerdings ohne jegliche Aussicht auf Erfolg („Werwölfe“).
Der Lehrer Josef Mocken übernahm 1937 die Leitung der nationalsozialistischen Zelle 22 in Ratingen-Tiefenbroich. Aus einem sehr anerkannten Lehrer, der Mitglied des Kirchenbauvereins und des Schützenvereins war, den Kirchenchor leitete und dem Vorstand der katholischen Zentrumspartei in Ratingen angehörte, war ein überzeugter Nationalsozialist geworden. Möglicherweise war er in seiner Haltung durch Hermann Löns beeinflusst worden, der immer wieder auch die Arroganz der politisch Verantwortlichen gegenüber den Bürgern und ihren Wünschen und Vorstellungen kritisiert hatte.
Der Findling befindet sich in Ratingen-Tiefenbroich, in der Nähe des Friedhofs, Am Gratenpoet/Ecke Am Rosenkothen.
Hermann Löns, in: Kindlers Neues Literaturlexikon Bd. 10, hgg. von Walter Jens, München 1990, S. 526-529
Zu Ratingen-Tiefenbroich:
Matthias Dreisigacker, Balladensänger als Propaganda-Mittel, in: Rheinische Post vom 25.7.2001
Josef Mocken, Heitere Geschichten, Ratingen o.J., S. 49: Geschichte eines Steines - Zum Gedenken an Hermann Löns
Erika Münster, Tiefenbroich und seine Geschichte, in: Die Quecke. Ratinger und Angerländer Heimatblätter Nr. 65 (1995), S. 101-104
Andrea Töpfer, Aus der Geschichte der Pfarrgemeinde St. Marien in Tiefenbroich, in: Die Quecke. Ratinger und Angerländer Heimatblätter Nr. 65 (1995), S. 104-105
René Wendeler, Wie es dazu kam, dass der Hemann-Löns-Gedenkstein eine Infotafel bekommt, in: Die Quecke. Ratinger und Angerländer Heimatblätter Nr. 88 (2018), S. 132