Frauenarbeit im Ersten Weltkrieg

„Der Erste Weltkrieg wurde nicht nur auf den Schlachtfeldern ausgetragen, sondern auch in den Fabriken und Bauernhöfen, in den Banken, Häfen und auf den Eisenbahnlinien.

Ein industrieller Krieg mit Massenarmeen war auf längere Zeit ohne eine Mobilisierung der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft nicht durchzuhalten.

Darauf war keine der beteiligten Nationen vorbereitet, schließlich hatten die militärischen Planungen überall mit einem kurzen Krieg gerechnet.“

(Oliver Janz, 1914 – Der Große Krieg, 2013, S. 230)

Da viele Männer als Soldaten dienten, mussten sie an ihren bisherigen Arbeitsplätzen ersetzt werden. Neben Kriegsgefangenen kamen hier vor allem Frauen in Frage. Ab 1915 wuchs der Frauenanteil in der traditionell männlich dominierten Schwerindustrie stark an, vor allem in den kriegswichtigen Bereichen Metallverarbeitung, Maschinenbau, Elektrotechnik und chemischer Industrie.
Einerseits wurden in den Rüstungsbetrieben höhere Löhne gezahlt, andererseits waren die Arbeitsbedingungen durch lange Schichtzeiten und erhöhte Verletzungsgefahr härter als an anderen Arbeitsplätzen. Frauen wurden zusätzlich durch Druck, etwa die gezielte Verringerung von Heimarbeitsplätzen oder bei Verdacht auf Arbeitsverweigerung durch den Entzug der Kriegsunterstützung für Ehefrauen, in die gewünschte Richtung gedrängt. Oft nahmen Frauen aus bloßer Not Arbeit in kriegswichtigen Betrieben an. Insgesamt stieg die Erwerbstätigkeit von Frauen während des Krieges nur moderat an und war keineswegs ein Massenphänomen.
Diese Entwicklung lief jedoch nicht an allen Orten gleich ab. Für Ratingen lässt sich anhand der Gemeindesteuerbücher belegen, dass die Frauenberufstätigkeit zwischen 1912 und 1917 gegen die landesweite Tendenz um über 60 Prozent zunahm. Besonders nennenswert war diese Zunahme bei den Berufen Kontoristin/Bürogehilfin (+ 159 Prozent), Fabrikarbeiterin (+ 55 Prozent) und im hauswirtschaftlichen Bereich (Mägde, Dienstmädchen + 88 Prozent). Soziale Berufe (Kindergärtnerin, Krankenschwester etc.) wurden 1917 in Ratingen von 40 Frauen (1912 von 6) ausgeübt.
Durch das Sichtbarwerden der weiblichen Beschäftigung, im öffentlichen Dienst als Schaffnerinnen und Postbotinnen, als Krankenschwestern in Lazaretten sowie in der kriegswichtigen Industrie, kam es den Zeitgenossen so vor, als hätte der Frauenanteil zugenommen. Durch die Einberufung von immer mehr Männern zum Militär „verweiblichte“ die Zivilbevölkerung, bekam die „Heimatfront“ ein weibliches Gesicht.

Das Arbeitsschutzgesetz wurde bereits 1914, wenige Tage nach Kriegsbeginn, für die Dauer des Krieges außer Kraft gesetzt, mit der Folge, dass Über-, Nacht- und Sonntagsarbeit auch für die weiblichen Arbeitskräfte zum Regelfall wurde. Laut einer Erhebung des Karlsruher Metallarbeiterverbandes vom August/September 1916 leisteten rund 68 Prozent der erfassten Arbeiterinnen eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 51 Stunden, d.h. ohne Berücksichtigung von Überstunden.

Viele weibliche Beschäftigte litten erheblich unter Arbeitsdruck, Mangelernährung und psychischer Belastung. Die Arbeit in der Kriegsindustrie wurde häufig als belastend und zudem unvereinbar mit der Versorgung der Kinder empfunden. Viele Frauen vermieden daher eine Arbeit in der Rüstungsindustrie und zogen eine Kombination aus geringer staatlicher Unterstützung und einem Zubrot durch Heimarbeit oder einer hauswirtschaftlichen Tätigkeit vor, sofern sie damit ihr Auskommen bestreiten konnten.

Die bürgerliche Frauenbewegung versuchte die Fabrikarbeiterinnen durch die Schaffung von Plätzen für die Kinderbetreuung und durch die Einstellung von Fabrikpflegerinnen zu unterstützen. Fabrikpflegerinnen sollten den weiblichen Beschäftigten u.a. bei Problemen des Wohnraums, der Kinderbetreuung, der medizinischen und der Lebensmittelversorgung helfen. Sie sollten die schwere Arbeit für die Arbeiterinnen erträglicher machen und zugleich die „sittlichen Gefahren“ vermindern, denen die Frauen an Männerarbeitsplätzen ausgesetzt waren. Insgesamt gab es aber zu wenige Stellen, um diesem Auftrag wirklich gerecht zu werden.

© Erik Kleine Vennekate, Stadtarchiv Ratingen

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