18.07.2017

Ratingen auf dem Weg zur Fairtrade-Stadt

Lena Steinhäuser ist seit dem 1. Juni Koordinatorin für kommunale Entwicklungspolitik

Seit dem 1. Juni 2017 arbeitet Lena Steinhäuser als Projektkoordinatorin für kommunale Entwicklungspolitik der Stadt Ratingen. Ziel des Projekts ist, die kommunale Beschaffungspraxis hinsichtlich Kriterien des fairen Handels zu analysieren und erfolgreich die Bewerbung Ratingens als Fairtrade-Stadt zu koordinieren. Die zunächst auf zwei Jahre ausgelegte Projektstelle (halbtags) wird zum größten Teil durch Mittel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über die Engagement Global gGmbH finanziert. Bürgermeister Klaus Pesch: „Ich freue mich, dass nun die personellen Ressourcen für diesen wichtigen Prozess gegeben sind, und hoffe sehr, dass sich viele Akteure in der Stadt anschließen werden.“
 
Lena Steinhäuser ist 34 Jahre alt, sie hat zwei Töchter und lebt mit ihrer Familie in Düsseldorf. Ursprünglich stammt sie aus Karlsruhe und hat in Potsdam studiert. „Meine neue Aufgabe bei der Stadtverwaltung Ratingen verbindet auf praktische und spannende Weise viele Inhalte meiner Studienfächer Politik, Philosophie und Betriebswirtschaft. Beruflich habe ich bisher vorrangig Projekte im Bereich Weiterbildung und Personalmanagement durchgeführt und freue mich nun umso mehr, im Bereich Fairer Handel aktiv zu sein, zumal mich dies privat auch sehr interessiert“, sagt Lena Steinhäuser.
 
Projektschwerpunkt: Faire kommunale Beschaffung
 
Ratingen will hinsichtlich der kommunalen Beschaffung ein Zeichen als verantwortungsbewusste Stadt setzen. Mit dieser Idee ist Ratingen nicht alleine. 2010 verpflichteten sich zahlreiche Kommunen im Ruhrgebiet mit der Unterschrift unter die MAGNA CHARTA RUHR.2010, auf Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit in der kommunalen Beschaffung zu verzichten. Bis ins 20. Jahrhundert war Kinderarbeit auch in Deutschland noch an der Tagesordnung. Die Entwicklungen, die sich mit der Humanisierung der Arbeitswelt vor ca. 150 Jahren vor unserer Haustür zutrugen, gilt es auch in anderen Weltteilen zu unterstützen und Ausbeutung nicht durch unseren Konsum zu verstärken. Dass dies gut möglich ist, zeigen z.B. Städte wie Dortmund, in denen u.a. die öffentlich beschaffte Dienstkleidung den Kriterien des fairen Handels genügt.
 
Lena Steinhäuser hat den Auftrag, eine Analyse der Beschaffungspraxis durchzuführen, um gemeinsam mit den Experten aus der Verwaltung realistische und doch ambitionierte Ziele zu formulieren, wie langfristig der Anteil an fair gehandelten Gütern erhöht wird.
 
Zu Beginn des Projekts erfolgte zunächst die Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen für öffentliche Beschaffung und Vergabe in Ratingen. Aus vergaberechtlicher Sicht ist es möglich, soziale Standards bei beschafften Gütern einzufordern. Zum Teil ist es laut des Tariftreue- und Vergabegesetzes (TVgG) in Nordrhein-Westfalen sogar zwingend, die Einhaltung von Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) bezogen auf bestimmte Produktgruppen ab bestimmten Bagatellgrenzen einzuhalten.
 
Zu den nächsten Projektaufgaben wird es gehören, relevante Produktgruppen zu identifizieren, auf die in den nächsten Jahren der Fokus gelegt werden soll. Denn neben Kaffee und Tee geht es in der kommunalen Beschaffung um eine Vielzahl von Produkten, wie Textilien, Büromaterial, Holz, Lederwaren, Natursteine, Sportartikel und auch Computer, die hinsichtlich ihrer Produktionsbedingungen auf den Prüfstein gestellt werden müssen.
Parallel dazu wird ein Kriterienkatalog definiert werden, was unter „Fairen Produkten“ zu verstehen ist. Es wird entschieden, ob es für Ratingen ausreichend ist, die ILO-Normen gemäß TVgG ab einer Bagatellgrenze einzuhalten oder ob - wie teilweise auch in anderen Städten - zudem die Einhaltung weiterer Kriterien des fairen Handels eingefordert werden.
 
Initialprojekt: Bewerbung als Fairtrade-Stadt
 
Die Stadt Ratingen möchte das bereits bestehende entwicklungspolitische Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger aufgreifen und dieses mit Hilfe der Bewerbung als Fairtrade-Stadt würdigen und weiter fördern.
 
Für Lena Steinhäuser ist interkommunaler Austausch eine wichtige Tätigkeit im Rahmen des Projekts. Denn es gibt bereits fast 500 Fairtrade-Städte in Deutschland, die von Transfair e.V. ausgezeichnet wurden. So knüpfte sie in den ersten Projektwochen bereits Kontakte mit Städten wie Saarbrücken, der ersten deutschen Fairtrade-Stadt und gegenwärtigen Bundeshauptstadt des fairen Handels, und auch der Ratinger Partnerstadt Beelitz, die sich ebenfalls auf den Weg zur Fairtrade-Stadt gemacht hat.
 
Die Vernetzung innerhalb Ratingens nimmt bei der Arbeit an den fünf Kriterien, die für die Auszeichnung als Fairtrade-Stadt erfüllt sein müssen, auch einen großen Stellenwert ein.
 
Kriterium 1 - Ratsbeschluss:  Für die Auszeichnung wird gefordert, dass der Rat beschließt, sich als Fairtrade-Stadt zu bewerben. Weiterhin soll bei allen öffentlichen Sitzungen sowie bei der Bewirtung im Amt „Büro des Bürgermeisters“ fair gehandelter Kaffee und ein weiteres Produkt aus fairem Handel ausgeschenkt werden.
Per Ratsbeschluss wurden bereits die Fördergelder für die Einrichtung der Projektstelle beantragt, so dass die Stadt das Ziel einer Auszeichnung als Fairtrade-Town erreichen kann. Bei allen Rats- und Hauptausschusssitzungen im Freizeithaus ist die Bewirtung mit Fairtrade-Kaffee und -Tee bereits der Fall, die anderen Lokalitäten für öffentliche Sitzungen oder Veranstaltungen werden geprüft. Zwar sind Fairtrade-Produkte oftmals etwas teurer, weil sie soziale Standards für die Produzenten garantieren. „Aber es dürfte für viele Leute überraschend sein, dass die Preisdifferenz zu anderen Produkten häufig viel geringer ist als angenommen. Bei Kaffee zum Beispiel macht die Preisdifferenz bei qualitativ vergleichbaren Produkten oft nur einen Cent pro Tasse aus“, betont Lena Steinhäuser.
 
Kriterium 2 - Steuerungsgruppe: Sowohl auf dem Weg zur Auszeichnung als auch über den Projektzeitraum hinaus soll eine Steuerungsgruppe, die aus Vertretern aus den Bereichen Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft besteht, die Aktivitäten unterstützen.Hier gibt es bereits Zusagen von Akteuren des Arbeitskreises „Eine Welt“ der Initiative Agenda 21 in Ratingen. Wünschenswert wäre auch eine Beteiligung der Kirchengemeinden, der einzelnen Ratsfraktionen, Gastronomie und Einzelhandel. Gespräche hierzu sind im Gange.
 
Kriterium 3 - Fairtrade-Produkte im Sortiment: Mindestens 18 Einzelhandelsgeschäfte und neun Gastronomiebetriebe in Ratingen müssen mindestens zwei Produkte aus fairem Handel im Sortiment anbieten. Es gibt bereits eine Vielzahl von Geschäften in Ratingen, die Fairtrade-Produkte anbieten. Auch in manchen Gastronomiebetrieben sind Fairtrade-Produkte zu finden. Gemeinsam mit Vertretern aus Einzelhandel und Gastronomie wird überlegt, wie der Anteil von Fairtrade-Produkten in Ratingen erhöht und vor allem deren sichtbarere Positionierung erreicht werden kann.
 
Kriterium 4 - Zivilgesellschaft:In öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Vereinen und Kirchen werden Produkte aus fairem Handel verwendet. Weiterhin werden in Schulen oder anderen Institutionen Bildungsaktivitäten diesbezüglich umgesetzt.
 
Lena Steinhäuser betont in diesem Zusammenhang, dass selbstverständlich der Fairtrade-Gedanke nicht erst mit dem Projektstart vor einigen Wochen in die Stadt Ratingen eingezogen ist. „Vielmehr gibt es vor Ort seit Langem ein konstantes und sehr vielschichtiges Engagement zu kommunaler Entwicklungspolitik wie die Agenda 21.“ Im Rahmen des aktuellen Projekts liefen in den letzten Wochen schwerpunktmäßig Kontaktaufnahmen zu bereits aktiven Personen, um gemeinsam ein Handlungskonzept zu entwickelt, wie entwicklungspolitisches Engagement in der Stadt zukünftig noch vielschichtiger und sichtbarer mit Leben gefüllt werden kann. Dies soll auch unter Berücksichtigung von Initiativen, die im Sinne der Nachhaltigkeit gezielt auf regionale Produkte setzen, geschehen.
Darüber hinaus werden aktuell Ideen für Bildungsaktivitäten gemeinsam mit Einrichtungen wie Museen geprüft. Auch alle Ratinger Schulen wurden bereits kontaktiert, um bestehende Aktivitäten hinsichtlich des Themas „Fairer Handel“ zusammenzutragen und mögliche Beteiligungen zu planen. Zum Beispiel strebt das Adam-Josef-Cüppers-Berufskolleg eine Auszeichnung als Fairtrade-Schule an. Eine langfristige Einbindung von Fairhandels-Themen in den Unterricht und z.B. die Einführung fairer Produkte in der Schulbäckerei sind angedacht.
 
Kriterium 5 - Medien:Für die Bewerbung als Fairtrade-Stadt und auch für den langfristigen Erfolg entwicklungspolitischen Engagements in Ratingen ist die Berichterstattung in den lokalen Medien notwendig.
 
Lena Steinhäuser: „Diese fünf Kriterien zu erfüllen und auch über den Projektzeitraum von zwei Jahren zu etablieren, wird eine große Herausforderung. Ich freue mich darauf, diese gemeinsam mit engagierten Ratingern anzugehen.“ Erreichbar ist die Koordinatorin unter Tel. (02102) 550-1065, E-Mail: Lena.Steinhaeuser@Ratingen.de.    
 
Büro des Bürgermeisters
Stadt Ratingen

 

Pressereferentin

Ulrike Trimborn 

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